„Heute will ich nach Buttstädt fahren“ - Goethe in Buttstädt

Wenn es zunächst vielleicht auch nicht so aussehen mag, so sind die Beziehungen Goethes zu Buttstädt doch einiger Aufmerksamkeit wert. Nicht nur zufällige Besuche, sondern vielfältige Interessen veranlassten Aufenthalte des Dichters in der Stadt, die interessante Einblicke in sein Leben als auch in das der Stadt ermöglichen.

So lassen seine verschiedenen amtlichen Aufgaben als Minister in Buttstädt erkennen, wie sehr ihn diese in seinem Schaffen als Dichter behinderten und sein Gemüt belasteten. Auf das ganze Herzogtum übertragen, wird an diesem Beispiel deutlich, weshalb er im September 1786 das Land verließ und bis Juni 1788 in Italien weilte, um Abstand von diesen Belastungen zu gewinnen. Aber auch seine persönlichen Beziehungen zu Buttstädt könnten von einigem allgemeinen Interesse sein. „Heute will ich nach Buttstädt fahren“, diese oder ähnlich formulierte Feststellungen wiederholen sich in Goethes Tagebüchern.

Im Gedächtnis von Buttstädter Bürgern erhielten sich Erirmerungen daran, obwohl die Heimatgeschichtsschreibung darüber nichts Zusammenhängendes berichtet. Daher nahm der Verfasser 1966 mit dem 1978 verstorbenen Kulturhistoriker Dr. Wolfgang Vulpius Verbindung auf, dem Urenkel von Christianes Bruder, Christian August Vulpius. Sich der Gespräche mit seinem Großvater besinnend, konnte er über Interna des Goethehauses interessant berichten und lebendige Bilder der Goethezeit erstehen lassen. Seine einschlägigen Veröffentlichungen fanden große Nachfrage.

Mehrfach war er der sehr beliebte Referent Buttstädter Museumsabende. Von ihm erhielt der Verfasser in mehreren informativen Aussprachen eine Fülle von Fakten und Hinweisen, die dieser Arbeit zugrunde liegen. Da diese damals nicht so rasch geschrieben werden konnte, wurden die wichtigsten Fakten von 2 Schülerinnen der damaligen EOS (11. Kl.) Christel Rothe und Regina Stahlberg, in einer Jahresarbeit 1967 festgehalten. Dieser Fundus, erweitert durch neue Einsichten und Erkenntnisse, setzen den Verfasser in die Lage, diese Arbeit vorzulegen.

Seine Bemühungen wurden mit freundlicher Hilfsbereitschaft unterstützt von Dr. Egon Freitag, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Goethe-Nationalmuseum, und Frau Karin Ellermann, Archivarin im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar. Ihnen gebührt Dank für die Hilfe beim Aufsuchen der Quellenbelege und für hilfreiche Hinweise.

Karl Mack

DER MINISTER

Am 22. Januar 1776 schrieb Goethe, der sich jetzt entschlossen hatte in Weimar zu bleiben, an seinen Freund, den Schriftsteller Johann Heinrich Merck: „Ich bin nun ganz in alle Hof- und politischen Händel verwickelt und werde fast nicht wieder weg können. Meine Lage ist vorteilhaft genug, und die Herzogtümer Weimar und Eisenach immer ein Schauplatz, um zu versuchen, wie einem die Weltrolle zu Gesicht stünde.“

Goethes Uberlegungen dazu gingen in die Richtung, dass sein amtliches Wirken im Herzogtum dazu beitragen könnte, die Wirtschaft des Ländchens zu fördern, die Lage der Bauern und Handwerker zu erleichtern, die Militärlasten zu reduzieren, auch die Lebensbedingungen der Soldaten zu verbessern, bei Aushebungen Rücksicht auf die familiären - d.h. meist wirtschaftlichen - Bedingungen der Betroffenen zu nehmen. Kurz - seine Wirksamkeit sollte die Möglichkeit beweisen, dass eine menschenfreundliche Regierung ihrer Bevölkerung das Dasein erleichtern und zu mehr Lebensglück führen könne. Dazu versprach er sich die Unterstützung seines Freundes Carl-August, des Herzogs.

Dieser ernannte ihn 1776 zum Geheimen Legationsrat und Mitglied des Geheimen Consiliums sowie 1782 zum Geheimen Wirklichen Rat. Seine daraus erwachsende Tätigkeit als Minister erfolgte in verschiedenen Kommissionen, wie der Steuerkommision, der Kriegskommision, der Bergwerkskommision sowie der Wegebaudirektion.

In Ausübung dieser Funktionen führte ihn der Weg wiederholt auch nach Buttstädt. So vermerkt er in seinem Tagebuch unter dem 27. Juni 1779: „Nach Buttstädt geritten mit Rath Reus über die Steuer Einnahme zu sprechen.“ Über dieses Gespräch verfasste Goethe ein ausführliches Protokoll, darin benutzte er eine andere Schreibung des Namens Reus (Tagebuch), nämlich Reise, gemeint ist aber die selbe Person, nämlich der Buttstädter Rat Reise, Stadtvogt und fürstlicher Steuer-Commissarius, welcher 1764 den großzügigen Umbau des Eckhauses Obertorstraße/Markt ausführen ließ.

Da im damaligen Rathaus kaum Amtsstuben vorhanden waren, die sich für solche Beratungen eigneten, ist anzunehmen, dass das Steuergespräch in dem prächtig erneuertän Haus.des Rates Reise stattgefunden hat.

Wenn das Verständnis des Protokolltextes für den heutigen Leser auch nicht ohne Schwierigkeiten zu gewinnen ist, so zeigt er uns doch die Art der Probleme, mit denen der Dichter sich auseinanderzusetzen hatte und gibt uns auch einen kleinen Einblick in das Steuerwesen jener Zeit.

In seiner Eigenschaft als Kriegskommissar besuchte Goethe die Stadt am 7. und 8. März 1779. Er befand sich in Begleitung des Artillerieoffiziers und Wegebauingenieurs Jean Antoine Joseph de Castrop. Zweck dieses Aufenthaltes in der Stadt war die Musterung von jungen Männern für ihre Aushebung zum Militär Sachsen-Weimars.

Die „Streitmacht“ des Landes bestand aus der Kavallerie (1 Rittmeister, 7 Unteroffiziere und 31 Mann), dem Artilleriekorps (1 Hauptmann, 1 Unteroffizier, 8 Kanoniere) und der Infanterie mit 532 Mann. (Nach Vulpius).

Die Musterung fand auf dem Rathaus statt. Dem Dichter behagte diese „Menschenklauberei“ nicht, nur ungern unterzieht er sich dieser Pflicht als Kriegskommissar. So beschäftigte er sich während der Prozedur, die von Unteroffizieren oder Soldaten besorgt wird, mit anderen, ihm angenehmeren Dingen, aber immerhin unter Wahrnehmung der Aufsicht. Unter anderem schreibt er einen Brief an den Herzog2 „In Buttstädt auf dem Rathause“ steht als Absendeort groß vor dem Text. „Es kommt mir närrisch vor, da ich sonst in der Welt alles einzeln zu nehmen und zu besehen pflege, ich nun nach der Phisiognomik des Rheinischen Strichmaases alle Jung Purschen des Landes klassifiziere.“ legt er dem Herzog seine Befindlichkeit dar. Er stellt aber zugleich fest, dass diese Beschäftigung auch nützlich sein kann durch einen Gewinn an Lebenserfahrung. Einige Gedanken widmet er auch der im Februar geborenen Prinzessin Luise Auguste Amalie. Wenn er an anderer Stelle des Briefes von seinem „Töchtergen“ spricht, an dem er „koche“, so meint er damit die Prosafassung seiner „Iphigenie“. Der Prinzenerzieher Karl Ludwig von Knebel, ein Freund Goethes, besuchte ihn hier auf dem Rathaus und fand ihn, die Rekruten um ihn her, an einem Tisch sitzend, das Manuskript der „Iphigenie“ vor sich. Eine Illustration zu seinen Aushebungsreisen fertigte Goethe im März 1779 wahrscheinlich in Apolda an, sie könnte aber auch in Buttstädt entstanden sein.

Wolfgang Vulpius zu dieser Zeichnung: „Da ist ein Rekrut zu sehen, dessen Körpergröße an der Meßlatte festgestellt werden soll. Der Bursche duckt sich zusammen, um unter dem geforderten Maß zu bleiben, aber der Unteroffizier läßt sich nicht täuschen und schiebt ihm den Kopf mit einem derben Griff unters Kinn nach oben. Rechts, von einer Treppe her, versucht eine Frau in die Amtsstube einzudringen, die jammernd mit beschwörender Gebärde ihren Mann oder ihren Sohn beim Kommissar losbitten möchte. Der aber, an seine Vorschrift und die Erfüllung einer bestimmten Zahl gebunden, lässt die Frau zur Tür hinausdrängen. Vor dem Stehpult des Kommissars hockt ein Musketier, der Trommel und Gewehr abgestellt hat, um sich die Blasen an seinen Füßen zu betrachten. Durch eine andere Tür hinten im Raum wird ein neugeworbener Rekrut hinausgeleitet. Über der Tür liest man die Worte „Tor des Ruhms“, deren bitteren Sinn die Allegorie eines mit Lorbeer bekränzten Galgens enthüllt“. (W. Vulpius, Goethe in Thüringen, Greifenverlag in Rudolstadt, o. J. Seite 23)

Wenn es zu ermöglichen war, vermied er es, einer Bauernwirtschaft oder einem Handwerksmeister die zum Erhalt der Wirtschaft oder des Betriebes notwendige Arbeitskraft des Sohnes zu entziehen. Er milderte Härten auch in anderer Hinsicht und setzte eine Reduzierung des Militärs im Herzogtum durch. Bei seinen Aufenthalten in Buttstädt nahm Goethe im „Geleitshaus“ Quartier, das geht aus einigen seiner Notizen hervor. Das Haus muß sehr geräumig gewesen sein, da selbst der Herzog mit Gefolge 1733 sechs Wochen hier logierte.

In seinem Bestreben, den materiellen Wohlstand des Landes zu heben, befasste sich der Dichter auch mit wirtschaftlichen Problemen. Allgemein bekannt ist das im Zusammenhang mit dem Ilmenauer Bergbau, seine Sorge galt aber auch bescheideneren, doch nicht unwichtigen Bereichen. So schreibt er am 6. März 1779 aus Apolda an Frau von Stein: „Hier will das Drama (Iphigenie, K.M.) gar nicht fort. Der König von Tauris soll reden, als wenn kein Strumpfwirker in Apolda hungerte.“

In einer Tagebuchnotiz beschreibt er die wirtschaftliche Lage der Strumpfwirker und wie sie um ihren gerechten Lohn gebracht werden.

1783 erarbeitet er eine Tabelle zur Strumpffabrikation im Herzogtum. Er führt ihre Standorte an, nennt die Anzahl der Meister, Stühle und Gesellen sowie die Absatzmärkte. Buttstädt wird angeführt mit 41 Meistern, 97 Stühlen und 22 Gesellen. Zum Absatz wird festgestellt: „Beziehen meist die Jahrmärkte.“ Ein interessanter Beitrag zur Geschichte, speziell der Wirtschaftsgeschichte unseres kleinen Ortes.

Dass diese amtlichen Tätigkeiten - motiviert und mit Engagement vertreten- dem Schaffen des Dichters beträchtliche Behinderungen brachten, ist nicht zu übersehen. Er selbst kennzeichnet das in einer kritischen Situation so: „Mit Mühe habe ich mich vom Aristoteles losgerissen, um zu Pachtsachen und Fristenangelegenheiten überzugehen!“

Am Ende stand die Erkenntnis, „...wer sich mit Administration abgibt, ohne regierender Herr zu sein, der muß entweder ein Philister oder ein Schelm oder ein Narr sein.“

Der Dichter musste erkennen, dass unter den gegebenen Bedingungen seine menschenfreundlichen Absichten, mit denen er angetreten war, nicht zu verwirklichen waren. Trotzdem waren die im Amt gewonnenen Einsichten und Erkenntnisse - wie er es auch selbst einschätzte - nicht ganz ohne Wirksamkeit für sein dichterisches Schaffen. Hatte er doch Gelegenheit, Menschen des Herzogtums aus allen Gesellschaftsschichten mit ihren Freuden und Nöten in lebendigem Kontakten zu erleben. Im September 1786 reiste er nach Italien ab, um erst 1788 wiederzukehren. Die lange Abwesenheit ließ ihn Abstand gewinnen. Nach seiner Wiederkehr schränkte er seine amtlichen Pflichten wesentlich ein.

DER GUTSHERR

In den „Tag- und Jahresheften“ von 1797 stellt Goethe fest, dass ihn wie viele Stadtmenschen eine „unwiderstehliche Lust nach dem Land- und Gartenleben“ erfaßt habe. Er wies dabei auf Schiller hin, der in Jena einen Garten gekauft habe, und auf Wieland mit seinem Oßmannstedter Gutsbesitz. Diesem Drang folgend, erwarb auch er am 22. Juni 1798 das Lehngut Oberroßla. Damit war er jetzt Lehnsmann des Herzogs mit Sitz und Stimme im Landtag. Der Erwerb dieses Rittergutes entsprang allerdings nicht nur der „Lust am Landleben“, sondern auch der IJberlegung, dass Christiane hier eine jederzeit zu nutzende Zuflucht und eine „feste Daseinsgrundlage für den Fall seines Todes“ haben könne. (Vulpius)

Zunächst wurde das Gut verpachtet, jedoch war der Pächter Fischer ein leichtfertiger Lebemann. Vulpius zitiert dazu Karoline Herder, die in einem Brief vom 15. April 1801 u.a. schrieb: „Mit seinem Pächter, der ihm zwei Jahre den ordentlichen Pacht nicht gegeben hat, hatte er beim Hofgericht einen Prozeß, den er zwar gewonnen und den Pächter hinausgeworfen hat, in dem er aber Kosten und Verdruß davongetragen. Jetzt heißt es, will er das Gut selbst administrieren.“

Bei aller Vielseitigkeit war Goethe dieser Aufgabe als Ökonom aber nicht gewachsen und musste sich nach vertrauenswürdigen Beratern - später auch nach einem neuen Pächter oder Käufer - umtun.

In Immanuel Reimann aus Buttstädt glaubte er den Mann seines Vertrauens gefunden zu haben. Dieser hatte sich hervorgetan als Landwirt und Obstbaumzüchter sowie durch bodenständige bürgerliche Ehrsamkeit. Die Familie Reimann hatte einen guten Ruf in der Stadt. Reimanns Lehrbuch zur Obstbaumzucht u.a. Veröffentlichungen einschlägiger Art fanden Beachtung und Schätzung bis ins 20. Jahrhundert. Er strebte vor allem die Sortenbereinigung des Obstes an.

Schon im September 1798, gleich nach dem Kauf des Gutes, sucht Goethe Reimanns Rat. Unter dem 19. September 1798 vermerkte er in seinem Tagebuch: „Die Bepflanzung des Tröbels mit Herrn Reimann von Buttstädt besprochen.“ Vulpius beschreibt den Tröbel als einen zum Gut gehörenden anmutigen kleinen Talgrund mit einer lebendigen Quelle und einem mit Büschen bewachsenen Hang. An anderer Stelle wird von einem Wiesengrund gesprochen. Goethe muss den Tröbel schon während der Verpachtung an Fischer unter seiner Regie behalten haben, es lag ihm offenbar viel an diesem Wiesengrund und seiner Bepflanzung, da er sich wiederholt damit befaßte. (Goethe - Tagebücher 1798, 19. September, Seite 302, GSA 27/15)

Am 05. November 1798 vermerkt er in seinem Tagebuch, dass Reimann von Buttstädt die Pflanzung am Tröbel abgesteckt hat. Zum 22. Oktober verzeichnet das Tagebuch, dass Goethe sich mit Reimann für den 28. Oktober in Oberroßla verabredet hat. Am 28.10. heißt es dann auch, dass die Besprechung über die Pflanzung am Tröbel dort stattfand. Am 21. Februar 1801 schreibt Goethe an Reimann einen Brief, die „Bepflanzung im Tröbel zu Oberroßla betreffend.“ Im März 1801 treffen sich beide dort und gehen die Pflanzung durch, wobei es auch schon um die Pachtung des Gutes durch Reimann geht. Ende 1801 übernimmt Reimann das Gut als Pächter. Er legt nun weitere umfangreiche Obstplantagen an. Im Mai 1803 kaufte er das Gut.

Wenn Reimann zunächst auch keine Reichtümer herauswirtschaften konnte, nahm die Entwicklung doch einen für ihn günstigen Verlauf bis 1806, dem Jahr der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt. Napoleonische Soldaten plünderten das Gut und beschädigten es dermaßen, dass Reimann die weitere Bewirtschaftung nicht mehr lohnend fand und verkaufte.

„Das Gutshaus, das mitten im Dorf mit breiter Front an der Straße lag, ist längst abgebrannt, nur der Gemüsekeller und das ‘Milchgewölbe‘ sind, weil sie unterirdisch lagen, erhalten geblieben.“ (Vulpius)

„In den „Tag- und Jahresheften“ preist Goethe sich glücklich, sein ‘Verhältnis zu den Erdschollen von Roßla‘ endlich völlig aufgehoben zu haben.“ (Gräf) Er spricht in diesem Zusammenhang auch von Reimann als „Bürger einer Landstadt mit einer gewissen kleinlichen Rechtlichkeit, wovon die Behandlung jener bekannten Quelle ein Symbol sein mag. Der gute Mann, in seinen Gartenbegriffen einen Springbrunnen als das Höchste befindend, leitete das dort mäßig abfließende Wasser in engen Blechröhren an die niedrigste Stelle, wo es dann wieder einige Fuß in die Höhe sprang, aber statt des Wasserspiegels einen Sumpf bildete. Das idyllische Naturwesen jenes Spaziergangs war um seine Einfalt verkümmert, so wie denn auch andere ähnliche Anstalten ein gewisses erstes Gefallen nicht mehr zuließen.“

Goethe deutete auch an, dass Reimann ihm die Probleme des Gutes so darstellte, dass ihm mit der Zeit der Besitz verleidet wurde. Er zieht dann das Resümee: „ ... und so ereignete sichs, dass ich nach sechs Jahren das Gut ihm abtrat, ohne irgendeinen Verlust als der Zeit und allenfalls des Aufwandes auf ländliche Feste, deren Vergnügen man aber doch auch für etwas rechnen musste. Konnte man ferner die klare Anschauung dieser Zustände auch nicht zu Geld anschlagen, so war doch viel gewonnen und nebenbei mancher heitere Tag im Freien gesellig zugebracht.“

Wesentlich zufriedener als mit Reimann war Goethe mit einem anderen Buttstädter, mit Johann Christian Schuchardt. Dessen Leistungen hingen zwar nicht mit dem Gutsbesitz zusammen, sollen aber an dieser Stelle mit erwähnt werden, da sie sich hier am besten einfügen.

Schuchardt wurde am 5. Mai 1799 in Buttstädt geboren. Sein Vater war „Bürger und Schneider“, wie es das Taufregister vermeldet. Johann Christian Steinkopf, Gastwirt zu Teutleben, Sophie Margarethe, Tochter des Bürgers und Fleischhauers Allendorf und Eva Maria, Ehefrau des Bürgers und Schössers Zukschwert, waren die Paten.

Schon 1812 besuchte er das Gymnasium in Weimar und das dortige Zeicheninstitut. Von dort als bester Schüler entlassen, studierte er in Jena Rechtswissenschaft und wird dann Akzessist bei der Großherzoglichen Landesregierung in Weimar. Er wird Sekretär bei der Oberaufsicht über alle unmittelbaren Anstalten für Wissenschaft und Kunst, einer Behörde unter Goethes Leitung. 1825 wird Schuchardt Goethes Privatsekretär (neben Kräuter und John).

Seine besondere Leistung im Dienste Goethes liegt in der maßgeblichen Mitarbeit an der Erarbeitung eines Verzeichnisses der Sammlungen des Dichters. Es handelt sich dabei um über 26.500 Objekte. Der Katalog erschien 1848 bis 1849 bei Fromman in Jena. In Fachkreisen der „Schuchardt-Katalog“ genannt. Schuchardt starb 1870.

Nicht unerwähnt bleiben darf auch Wilhelmina Friederica Maria Bachstein, genannt „Minchen“. Sie war eines der sieben Kinder des Kupferschmieds Georg Wilhelm Bachstein, der in der Obertorstraße 6 Wohnung und Werkstatt hatte. Es ist das Haus neben der Apotheke.

Minchen Bachstein wurde am 7.10.1795 in Buttstädt geboren. Sie trat bereits mit 14 Jahren als Hausmädchen in den Dienst der Gräfin Henckel-Donnersmarck und wechselte mit 17 in den Dienst von deren Tochter, der Frau des preußischen Majors von Pogwisch, dort war sie besonders befasst mit der Betreuung von deren Töchtern, Ottilie und Ulrike. Als Ottilie den Sohn Goethes, August, heiratete, bekam sie das „Minchen“ gewissermaßen als „Mitgift“ in das Haus am Frauenplan, wo man zunächst die Mansarde bezog.

Hier erwuchs ihr die besondere Aufgabe, die Enkel Goethes, Alma, Walther und Wolfgang zu betreuen. Umsichtig übernahm sie im Laufe der Jahre die Führung des Haushaltes im Goethehaus am Frauenplan.

.... . zuletzt freilich als Greisin unhold und tyrannisch, und dem Kampf gegen Schmutz und Spinngewebe nicht mehr gewachsen.“ (Vulpius) Trotdem lehnte Walther es ab, sie aus dem Dienst zu entlassen und sich einer jüngeren Kraft zu bedienen. Als sie 1884 starb, widmete er ihr in Dankbarkeit einen ausführlichen Nachruf. Dort heißt es: „Worte der Anerkennung und des Dankes für die Treue und Hingebung, die sie durch mehr denn 60 Jahre unserem Hause dargetan, nicht nur dienend und helfend, sondern, was mehr ist denn alles, wirkend in Liebe, durch welche sie sich an uns gefesselt fühlte...“

DER GASTFREUND

Nicht nur Amtsgeschäfte führten den Minister und Dichter nach Buttstädt, gern nahm er gelegentlich auch die Gastfreundschaft der Honoratioren, z. B. der Vögte oder des Apothekers, in Anspruch.

Ebenso waren die Märkte ein gern genutzter Anlaß, das Städtchen wiederholt zu besuchen. So vermerkt er in seinem Tagebuch unter dem 31.10.1777: „Auf den Buttstädter Jahrmarkt gefahren, über Rohrbach nach Tisch zurück.“ Auch 1799 besuchte er den Allerheiligenmarkt am 31.10.: „Auf den Buttstädter Pferdemarkt, abends nach Weimar zurück“; „Heut will ich nach Buttstädt fahren, wo Pferdemarkt ist“,

teilt er Schiller in einem Brief vom selben Tage mit. Auch sein Sohn August teilte später dieses Vergnügen. Am 10.02.1820 vermerkt Goethe in seinem Tagebuch: „August war nach Buttstädt geritten.., erzählte von seinem Pferdehandel.“

Zuweilen war der ganze Weimarische Hof in Bewegung, wenn in Buttstädt der Pferdemarkt stattfand. Als Goethe einmal nach Großkochberg reiten wollte, war kein Pferd aufzutreiben. „Alles war auf dem Buttstädter Jahrmarkt“, mußte er bedauernd feststellen. Vulpius schreibt, dass der Dichter überall, wo er hinkam, sinnfällige Außerungen des Volkstums mit Freude beobachtet hat. Das Markttreiben in Buttstädt wird er aus dieser Perspektive interessiert wahrgenommen haben. Vulpius bemerkte dazu, „zum Roßmarkt in Buttstädt ritt er wohl auch nur wegen des Volksvergnügens, das damit verbunden war.“

Die Stadtvögte rechneten es sich sicher zur Ehre, den Freund des Herzogs bei sich zu Tische zu sehen. Auch dieser gesellige Umgang war dem Dichter wichtig. In einem Brief vom 20. März 1782 an Charlotte v. Stein berichtet er über ein solches Essen in Buttstädt: „Beym Mittagessen erzählten die Stadtvögte, und besonders Castrop, alte Geschichten, wie sie sich im Kriege aus allerley Verlegenheit geholfen. Es ist mir auch im Kleinen interessant zu sehen, wie der Mensch sich wendet und dreht, und sein Geschick gelten macht.“

Auch in der Buttstädter Apotheke kehrte der Dichter gern ein. Sie befand sich in einem geräumigen Gebäude, wie wir anläßlich des Besuchs der Gemahlin August des Starken im Juli 1701 in diesem Haus feststellen konnten.

Die Apotheke befand sich seit 1775 in Händen der Familie Schwartz. Johann Friedrich Schwartz übergab sie 1800 an seinen Sohn Friedrich August, der sie 1826 an Johann Wilhelm Marmuth verkaufte.

Dies sind also die Apotheker, bei denen Goethe wie auch Christiane wiederholt zu Gaste waren. Manch interessantes Gespräch wird hier wohl auch geführt worden sein. Einer dieser Besuche fand am 25. Juli 1802 statt. Das Tagebuch sagt dazu: „Früh 5 Uhr von Lauchstädt ab Mittag in Herrengosserstädt. In der Apotheke in Buttstädt eingekehrt. Abends 9 Uhr zu Hause in Weimar.“

Wenn wir lesen, dass der Reisende kurz vor einem - sicherlich vorgesehenen - mehrstündigen Besuch in Buttstädt noch eine Einkehr in Herrengosserstädt hält, so erhebt sich doch die Frage, welche Verbindungen es nach dort gegeben haben mag. Der Ortschronist von Herrengosserstädt, Schuldirektor a.D. Joachim Röhrborn, teilt uns mit:

Ernst Friedemann von Münchhausen, der 1730 das Gut erwarb, war Oberhofmeister am Hof zu Weimar, woraus sich langjährige Beziehungen der Familie Münchhausen zu diesem Hof herleiten lassen. Sein Enkel - der Sohn des preußischen Justizministers unter Friedrich II. - Ernst Friedemann von Münchhausen, hatte gute Kontakte zu Goethe wie auch zur Familie Herder. Daher war der Dichter öfter zu Gast im Herrengosserstedter Schloss, wenn sein Weg durch den Ort führte oder er bei der Musterung von Rekruten in der Nähe zu tun hatte. So lesen wir im Tagebuch unter dem 7. März 1779 - als er zur „Aushebung“ in Buttstädt war - „Abends auf die Schäferei von Herrengosserstädt“. Die Schäferei war ein Vorwerk, das oberhalb des Ortes an der Gabelung der Landstraße nach Mariental bzw Richtung Eckartsberga lag. Später war es eine Försterei, wurde in den 70er Jahren abgebrochen. Hier offensichtlich der Ort einer abendlichen Geselligkeit für Goethe nach der Tagesarbeit in Buttstädt.

Die durch Millingsdorf und Herrengosserstädt führende Kupferstraße wurde oft vom Weimarischen Hof und seinen Schauspielern benutzt, um nach Bad Lauchstädt zu kommen, weil man auf ihr gegenüber der Naumburger Chausee kein Wegegeld zahlen mußte. Ersten Halt gab es dabei oft im Herrengosserstädter „Satte]hof“ der Ausspanne und Raststätte an der Kupferstraße. In Millingsdorf rastete der Dichter ebenfalls gern, angezogen vom Weinkeller und der Kochkunst der Frau des dortigen Pastors Friedrich Christian Benjamin Bechstädt und seiner Töchter.

Auch Christiane reiste auf dieser Straße bei ihren wiederholten Besuchen in Lauchstädt. Da sie in Buttstädt Verwandte hatte, kam es vor, dass sie hier die Reise unterbrach und Quartier nahm. Von einem ihrer Aufenthalte wissen wir etwas mehr, da sie in einem Brief darüber ein Ereignis näher beschrieb. Der Brief ist am 13. Juni 1803 in Lauchstädt geschrieben. Sie schreibt: „Nach Tische kam Herr Schwarz und holte uns zu einem Punsch in sein Haus, wo wir recht vergnügt waren.“ Das Vergnügen hatte aber einen unerfreulichen Ausklang, da auf dem Nachhauseweg „der närrische Creutzburg hinter uns drein war mit einem großen Dolch unter dem Rocke“, er folgte der Gesellschaft bis ins Haus. Christiane konnte „vor Angst die ganze Nacht nicht schlafen“, sie lobt den Diener Karl, der den Wüterich „in Güte noch fortbrachte.“

Der im Brief erwähnte Gastgeber, Herr Schwarz, ist mit Sicherheit der Apotheker Schwartz. (Christiane schreibt Schwarz, weil - wie auch im Fall des Rates Reise ersichtlich - man sich damals nicht so genau an die korrekte Schreibung der Namen hielt.)

Die Räumlichkeiten der Apotheke ließen eine solche Geselligkeit zu, einen guten Punsch zu brauen schlägt ebenfalls in das Fach des Gastgebers und auch die bestehenden Kontakte des Apothekers zu „Goethes“ könnten Anlass zu der Einladung gewesen sein.

Der durch das böse Erlebnis gestörte Heimweg der Punsch -Runde dürfte von der Apotheke in der Obertorstraße zum Haus der Familie des Hofadvokaten und Stadtvogts Johann Heinrich Schmith in der Brücktorstraße 10 geführt haben, zu den Verwandten Christianes, bei denen sie während ihres Aufenthalts in Buttstädt sicher wohnte. Uber die Identität weiterer in diesem Brief genannter Personen konnte bisher nichts in Erfahrung gebracht werden.

Dem Nachfolger von Herrn Schwartz, dem Apotheker Johann Wilhelm Marmuth, widerfuhr das Unglück, dass seine Apotheke schon im Jahr des Kaufes beim großen Stadtbrand 1826 ein Raub der Flammen wurde und bis auf die Gewölbe abbrannte.

Unverzüglich ging Marmuth an den Wiederaufbau. Im Oberstock ließ er im Flur der Mansarde vier Fresken anbringen, (etwa 80 cm hoch) athletische Gestalten, sicher aus Darstellungen der Antike entlehnt. Der Heimatforscher Hans Vetter sah in diesen Abbildungen eine Verbindung Goethes zu diesem Haus, auf dessen Anregung hin könnten befreundete Künstler sie geschaffen haben. Leider muß das bis heute nur eine Vermutung bleiben.

Auf seinen Reisen nutzte der Dichter gern Gelegenheiten, seinen Augen die Landschaft so umfassend wie möglich zu erschließen. So genoß er immer wieder Aussichten, die Turmbesteigungen ihm boten. So wissen wir - um nur einige zu nennen - dass er vom Observatorium in Padua, von den Kirchtürmen Pisas und Bolognas, vom Frankfurter Pfarrturm - der heute nicht mehr steht - wie auch von der Kuppel der Dresdner Frauenkirche auf das umliegende Land schaute.

Am 8. März 1779, während seines Aufenthaltes in der Stadt zur Rekrutenaushebung, bestieg er den Turm der Michaeliskirche. Er befand sich wahrscheinlich in Begleitung v. Knebels, der ihn zu der Zeit in Buttstädt besuchte und am Abend wieder abreiste. Leider findet sich darüber nur eine lapidare Notiz in seinem Tagebuch: „Auf den Turn Abends Knebel ab.“ (Turn soll Turm heißen, K.M.)

DER PROTEKTOR

Der Dichter verschloss seine Augen auch dann nicht, wenn es Not im Städtchen gab. So spiegelt sich der große Brand von 1826 ebenfalls in seinen Tagebuchnotizen wider. Unter dem 4. März 1826 lesen wir: „Abends in die Vorstellung von Iphigenie. Großer Brand in Buttstädt.“ In der Nacht vom 4. zum 5. März 1826 brach das Feuer am südöstlichen Ende der Kirchgasse aus und legte in kurzer Zeit den „schönsten Teil der Stadt“ (Sup. Stier), 86 Wohnhäuser und andere Gebäude in Asche. Darunter die Mädchenschule und das Diakonat. Der Herzog selbst besuchte die Brandstätte und versprach Hilfe. Der Dichter setzte sich für diese Hilfsmaßnahmen nach seinen Möglichkeiten ein.

Am 22.03.1826 vermeldet das Tagebuch, dass er mit Prof. Riemer und Dr. Weller über eine Wohltätigkeitslotterie für Buttstädt gesprochen habe, es ging um die Auslösung der bereitgestellten Gaben. „...Morgens war die Auslösung der Gaben für Buttstädt geschehen. Unterhaltung deshalb.“ heißt es in einer Notiz vom 30. März 1826. Die Hilfe erfolgte also schnell, wenn sie auch nur einen Teil der Nöte lindern konnte. Das alte Lateinschulgebäude konnte zwar durch „angestrengte Arbeit der Bürger“ (Stier) gerettet werden, aber das Dach hatte so schwere Schäden erlitten, dass ein Neubau zweckmäßig war. Um diesen zu fördern und neuen schulischen Anforderungen gerecht werden zu lassen, besprach sich Goethe mit dem nach seiner Meinung geschicktesten Architekten seiner Zeit, mit Clemens Wenzelslaus Coudray (1775-1845). Er vermerkte das in seinem Tagebuch unter dem 22.07.1826: „Die neue Bürgerschule in Buttstädt mit Oberbaudirektor Coudray besprochen.“

Am 8. April 1827 wurde der Grundstein für die nach Coudrays Plänen erbaute neue Bürgerschule gelegt. Am 25. August 1828 konnte sie eingeweiht werden. Das Schulhaus gehört heute noch zu den schönsten Gebäuden der Stadt.

Goethe interessierte sich auch für die Einrichtung einer Zeichenschule in Buttstädt als Vorstufe für einschlägige weiterführende Bildungsanstalten. In einer Mitteilung an den Großherzog vom 25. Januar 1816 schreibt er dazu, dass „das Ober- Consistorium schon aus eigener Bewegung den Versuch gemacht hat in Buttstädt eine Zeichenschule zu gründen, der auch recht gut gelungen ist.“

Auch Einzelschicksalen wandte der Dichter sich helfend zu. So setzte er sich ein für den begabten Sohn des im Buttstädter Töpferviertel wohnenden Hutmachers Gräfe. In einem Brief an seinen Freund und Kunstberater Heinrich Meyer vom 11. Juli 1820 bittet er diesen, dem Großherzog vorzutragen, dass ein junges, begabtes Landeskind Hilfe brauche, ob er nicht geneigt wäre, für dieses etwas zu tun. Seine Eltern seien durch das preußische Zollsystem verarmt und könnten ihrem Sohn keine Hilfe mehr bieten.

„Er heißt Gräfe und ist aus Buttstädt, hat die dortige Schule frequentiert und, vom seligen Krause examiniert, ist er löblich entlassen worden. Jetzt fehlt ihm alle Unterstützung, mir wurde er zum Gehilfen auf der Sternwarte, sowohl von Prof. Poßelt als auch von Dr. Körner, empfohlen, da jedoch diese Stelle auf ein Jahr besetzt ist, so weiß ich ihm außerdem nicht zu helfen.“

Heinrich Gräfe (3.3.1802 - 22.7.1868) studierte 1820 - 1822 in Jena Mathematik und Theologie. 1825 widmet er sich dem Schuldienst und wird Rektor der Stadtschule in Jena, 1840 erhielt er eine Professur. Durch seine Schulpraxis und seine theoretischen Werke zur Entwicklung der Volks- und Realschulen wurde er zum Bahnbrecher unseres Volksbildungswesens in organisatorischer und inhaltlicher Hinsicht. Die Buttstädter Regelschule trägt heute den Namen „Prof. Dr. Heinrich Gräfe“. Goethes Einsatz war an keinen Unwürdigen verschwendet.

Nach allem, was nun über Goethe und Buttstädt gesagt werden kann, wäre es überaus verwegen, Buttstädt etwa eine „Goethestadt“ nennen zu wollen. Jedoch dürften diese Betrachtungen geeignet sein, das Wissen um Ereignisse im Leben dieses Ortes zu erhalten. Vermutungen über dieses Thema zu ersetzen durch quellenmäßig gesicherte Fakten zum Weilen des Dichters in dieser Stadt. Seine Aufenthalte in Buttstädt und die damit verbundenen Aktivitäten sagen uns etwas über den Menschen Goethe und auch etwas über das Leben der Bürger des Ortes in jener Zeit.

Man erzählt sich in diesen Tagen in Buttstädt, dass eine Buttstädter Bürgerin in der Kulturstadt Weimar mit einem japanischen Gast ins Gespräch kam, wobei dieser seine Gesprächspartnerin darüber unterrichtete, dass Goethe und Buttstädt interessante Kontakte verbanden. Sie wollte es kaum glauben!

Umsomehr ein Grund, durch diese Arbeit über den Dichter und Buttstädt eine sinnvolle Ergänzung zu einem möglichst vielseitigem Bild unserer Ortsgeschichte zu liefern.

Anmerkungen:

Bericht Goethes über die am 27. Juni 1779 abgehaltene Besprechung mit dem Steuerrat Reise in Buttstädt.

Der Rat Reise zu Buttstädt hat vom 12. Januar bis den 7. Juni 265 Reichstaler in Stadt und Amt auf die Exekutoren repartirt. Es waren jede Woche 6 Exekutoren davon ieder 3 Reichstaler kriegt. Er kann in 4 Tagen fertig seyn eigentlich sollt er die ganze Woche dableiben. Der Rath versichert dass bey ihm soviel reste seyen dass von denen wöchentlichen 18 Reichstalern nur ein Pfennig käme. Auch lasse er nie auf die Steuerrester vom laufenden Jahr vielmehr nur auf die des vorigen Jahres exequiren. Er zeigte mir seine Restspezifikation die er am Ende ieden Jahres neu macht die sehr ordentlich und leicht zu übersehn ist.

Die Untereinnehmer haben die individual Spezifikation der Dorfschafften und liefern an ihn folle auf die Termine ab. Er weis also nicht eher welcher Bauer restiert als bis er die Restspezifikation von den Untereinnehmern fordert. Solche Spezifikationen waren eben eingelaufen, auf Veranlass des Cassedirecktorii.

An ihn liefern Brembach, Olbersleben, Niederreisen, Vogtey Brembach, Hardisleben, Manstädt, Teutleben, Amt Hardisleben.

Untereinnehmer sind Brembach, Olbersleben, Niederreisen, Hardisleben, Manstädt, Teutleben

Zogbaum geschickt und ordentlich, Hesse, Kehler, Junghans, Volland, Dracksdorf

Er hat eine Idee beim Cassedirecktorio angegeben nähmlich mit Ende dieses Jahrs einen abschnitt zu machen, und einen Rest Einnehmer bestellen zu lassen. Wenn dieses fey ihm anginge meynt er würde es in den übrigen Ämtern auch praktikabel seyn.

Daher mein Gedancke ist dass man in der Hauptsache gar nichts verfügen kann bis die Landschaffts Casse mit Revision der Reste herum und ein solcher Versuch im eintelnen gemacht ist. Er ist gleichfalls gegen die gerichtliche Hülfe und sagt wenn man die Unterthanen auf diese Weise drücken wolle so könne man den Oberemnnehmem lieber die Gewalt geben sie wollten sie schon brauchen. Ein gleiches hatte der Dornburger Rentsekretair in dem Bericht an die Commission gesagt. Reise behauptet bey der Casse im Vorschuss zu seyn, dadurch dass er seine Collecktengebühren eine Weile nicht abgezogen hat. Auch verheimlicht er nicht dass er den Unterthanen vorschisst, das man auch von dem Dornburger erzählt. Doch ist dieses sicher gefählich weil es dem Einnehmer Gelegenheit giebt, seinen Wucher auf die Leute zu üben. Überhaupt glaube ich bemerckt zu haben dass so viele kleine Schliche und Knife vorgehn die man weder oben recht erkennen noch durch Reglements und Befehle abschneiden kann.

(Stiftung Weimarer Klassik, GSA, amtliche Schriften 1,40/60; 6/144)

Brief Goethes an den Herzog

Buttstädt, den 8. März 79 auf dem Rathause

Indeß die Pursche gemessen und besichtigt werden will ich Ihnen ein Paar Worte schreiben. Es kommt mir närrisch vor da ich sonst in der Welt alles einzeln zu nehmen und zu besehen pflege, ich nun nach der Phisiognomik des Rheinischen Strichmaases alle Jung Pursche des Landes klassifizire, doch muß ich sagen dass nichts vorteilhafter ist als in solchem Zeuge zu kramen, von oben herein sieht man alles falsch, und die Dinge gehen so menschlich dass man um was zu nuzzen sich nicht genug im menschlichen Gesichtskreis halten kan.

Uebrigens lass ich mir von allerley erzählen, und als dann steig ich in meine alte Burg die Poesie und koche an meinem Töchtergen. Bei dieser Gelegenheit seh ich doch auch dass ich diese gute Gabe der Himmlischen ein wenig zu kavalier behandle und ich habe würklich Zeit wieder häuslicher mit meinem Talent zu werden wenn ich je noch was hervorbringen will.

Nach Weim. wäre ich vorgestern gern gekommen, es war mir aber vor der Zerstreuung bange.

Lassen Sie das kleine menschliche Wesen nur erst ein bißgen herankommen. Die Umstände erziehen alle Menschen, und man mache was man will die verändert man nicht. Lassen Sie‘s nie an der väterlichen Sorgfalt mangeln dass wirs nur gesunderhalten, bis es eine Menschenstimme vernimmt, werden wir noch manches darüber zu denken und zu reden veranlaßt werden.

Gott gebe uns den äussern und innern Frieden, so wird Ihnen und Ihrem Land noch gut zu helfen seyn.

Ich habe mir allerley gemerkt lustiges und ernsthafftes das ich zu erzählen habe. Uber diesem hat mich Knebel angetroffen. der hat mir großen Spas gemacht. Leben Sie wohl Er wird mehr erzählen. Morgen früh geh ich nach Alstädt.- G.

(Zitiert nach Eduard v.d. Hellen, Goethes Briefe, Bd, 1, Cottaische Buchhandlung)

der volle Wortlaut des Briefes von Christiane, soweit er Buttstädt betrifft:

(Lauchstädt) 13. (Juni 1803) Montag Abends um 7 Uhr

In Buttstädt kamen wir an, aßen etwas Kaltes und waren sehr vergnügt. Nach Tische kam Herr Schwarz und holte uns zu einem Punsch in sein Haus, wo wir recht vergnügt waren. Um 12 Uhr gingen wir unter Beglei­tung des Herrn Schwarz nach Hause, und es begegnete uns ein Abenteuer, wo sich unser Karl recht herzhaft bezeigt hat. Es kam nämlich der när­rische Creutzburg hinter uns drein mit einem großen Dolche unterm Rocke. Und als wir ins Haus waren, so kam er auch und wollte zu Lauterbach, und als der kam, wollte er ihn erstechen und brachte den Dolch unter dem Rocke vor und wurde ganz wüthend. Karl aber verhinderte es; ich lief in mein Zimmer und schloß mich ein. Nun wollte er zu mir, und ich stand Todesangst aus. Am Ende brachte ihn Carl in Güte noch fort. Ich konnte aber vor Angst die ganze Nacht nicht schlafen, und halb 3 Uhr stand ich auf weckete alles, um 5 Uhr fuhren wir fort, bekamen schönes Wetter, und es fiel nichts vor, und wir waren recht vergnügt.... Und um 4 Uhr waren wir in Lauchstädt. (Zitiert nach „Goethes Ehe in Briefen“, herausgegeben von Hans Gerhard Gräf, Inselverlag Leipzig 1966)